Kurzum erklärt: Magenmuskulatur, Motilität und beeinträchtigte Verdauung
Motilität bezeichnet die Bewegungen der Muskeln im Verdauungstrakt, die für den Transport und die Durchmischung von Nahrung verantwortlich sind. Die Magenmuskulatur spielt hierbei eine zentrale Rolle, indem sie durch rhythmische Kontraktionen den Speisebrei zerkleinert und mit Magensaft vermischt. Diese wellenartigen Bewegungen (Peristaltik) werden vom enterischen Nervensystem (umgangssprachlich auch Darmnervensystem) gesteuert und sorgen für eine geregelte Magenentleerung. Die Magenentleerung hängt von der Nahrungskonsistenz ab: Flüssigkeiten verlassen den Magen schnell, feste Nahrung dauert länger.
Interessant:
Das enterische Nervensystem (ENS) ist ein Nervengeflecht im Verdauungstrakt, das die Motilität koordiniert. Es besteht aus über 100 Millionen Nervenzellen.1 Das ENS steuert die Motilität autonom, also unabhängig vom zentralen Nervensystem (Gehirn und Rückenmark).
Eine Motilitätsstörung liegt dann vor, wenn die Bewegungsfähigkeit (Motilität) der Muskeln in verschiedenen Teilen des Körpers, insbesondere im Verdauungstrakt, beeinträchtigt ist. Diese Störungen können verschiedene Bereiche und Funktionen betreffen:
- Speiseröhre: Probleme mit dem Schluckvorgang, beispielsweise Achalasie
- Galle: Einfluss auf die Freisetzung von Galle und damit auf den Verdauungsprozess
- Magen: Mageninhalt wird zu langsam oder unvollständig entleert (Gastroparese)
- Darm: Störungen wie das Reizdarmsyndrom, bei dem es zu unregelmäßigen Kontraktionen und Bewegungen kommt
Durchfall, Völlegefühl und Co.: Anzeichen einer Motilitätsstörung
Ist die Motilität eingeschränkt, führt dies zu Problemen bei der Bewegung und Durchmischung der Nahrung im Verdauungstrakt. In der Folge können verschiedene Symptome auftreten:
Häufig tritt bei einer Motilitätsstörung auch Sodbrennen auf. Der Grund: Bewegt sich die Magenmuskulatur zu wenig, bleibt der Speisebrei im Magen zurück und das Organ ist bis oben gefüllt. So kann saurer Magensaft leichter in die Speiseröhre aufsteigen und das typische Brennen hinter dem Brustbein auslösen.
Meist bleibt es nicht bei einer einzigen Beschwerde
Eine Motilitätsstörung macht sich oft durch mehrere Symptome gleichzeitig bemerkbar und ist daher nicht immer einfach von anderen Krankheiten zu unterscheiden.
Ursachen: Wie kommt es zu Motilitätsstörungen?
Die Gründe für Motilitätsstörungen sind vielfältig. In vielen Fällen sind es jedoch die eigenen Lebensgewohnheiten, die auf den empfindlichen Magen-Darm-Trakt schlagen.
Eine häufige Ursache für Motilitätsstörungen im Magen ist Stress. Steht man unter hohem emotionalen Druck, schüttet der Körper vermehrt Stresshormone aus. Diese Botenstoffe bewirken, dass die Verdauung pausiert: Die Durchblutung der Magenschleimhaut und die Magenentleerung nehmen ab.
Für eine begrenzte Zeit kann dies durchaus sinnvoll sein, beispielsweise während einer Prüfung, da mehr Sauerstoff und Blut für die Denkleistung zur Verfügung stehen. Ist der Stresspegel aber dauerhaft hoch, kommt die Verdauung zu kurz. So können Stresssituationen die Magentätigkeit hemmen – die Folge können Magenschmerzen sein.
Auch eine falsche Ernährung kann Motilitätsstörungen in Magen und Darm verursachen. So können beispielsweise die folgenden Gewohnheiten die normalen Verdauungsbewegungen beeinflussen:
- unregelmäßige und hektische Mahlzeiten
- zu fettige oder scharfe Gerichte
- zu heiß oder zu kalte Speisen und Getränke
Genauso können Nahrungsmittelunverträglichkeiten oder bestimmte Medikamente – zum Beispiel Antidepressiva oder Opiate – zu Motilitätsstörungen führen.
Es gibt neben unseren Ess- und Lebensgewohnheiten auch eine Reihe von Erkrankungen, bei denen Motilitätsstörungen in Magen oder Darm auftreten. Dazu gehören unter anderem:
- Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit)
- Multiple Sklerose
- Schilddrüsenunterfunktion
Bei öfter auftretenden oder starken Beschwerden sollen Sie zum Arzt gehen, um die genaue Ursache zu bestimmen und eine geeignete Behandlung anzugehen.
Aha!
In seltenen Fällen sind Motilitätsstörungen durch genetische Veränderungen bedingt. Diese treten meist sporadisch und selten familiär gehäuft auf.2 So lassen sich bei einigen Erkrankungen, beispielsweise Morbus Hirschsprung (angeborene Fehlbildung des Enddarms), genetische Ursachen finden.
So stellt der Arzt die Diagnose „Motilitätsstörung“
Da Motilitätsstörungen häufig unspezifisch sind und auch auf andere Erkrankungen hinweisen können, müssen zunächst andere organische Erkrankungen ausgeschlossen (Ausschlussdiagnose) werden. Hierfür können folgende Untersuchungsmethoden herangezogen werden:
- Ultraschall (als Basisuntersuchung zur Diagnostik der Bauchorgane)
- Magenspiegelung (mithilfe einer Sonde werden Speiseröhre, Magen und Zwölffingerdarm betrachtet)
- C13-Atemtest (dient dem Nachweis des Bakteriums Helicobacter pylori)
- Computertomografie / CT (zur Darstellung krankhafter Veränderungen im Bauchraum)
- Kernspintomographie / MRT (zur Darstellung tumoröser oder entzündlicher Veränderungen im Bauchraum)
- Manometrie (misst den Druck und die Bewegungen der Muskeln im Verdauungstrakt)
- Szintigraphie (nuklearmedizinische Untersuchungsmethode zur Feststellung der Beweglichkeit und Leistung der Magenmuskulatur)
In vielen Fällen ist der Grund für die Beschwerden allerdings nicht so leicht herauszufinden, denn die Verdauung ist ein sehr komplexes System. Die Diagnose von Motilitätsstörungen kann langwierig und aufwendig sein, da es nicht nur um eine bildliche Darstellung, sondern auch um eine funktionelle Bewertung der Magen- und Darmbewegungen geht.
Wie lassen sich Motilitätsstörungen behandeln und vorbeugen?
Die Therapie der Motilitätsstörungen ist abhängig von der Ursache und der Schwere der Symptome. Da viele Probleme mit der Motilität von der Ernährung beziehungsweise dem eigenen Lebensstil herrühren, kann hier leicht angesetzt werden.
Um den Verdauungstrakt auf Trab zu halten, sollten Sie folgende Ernährungs- und Verhaltensänderungen beachten:
- ausgewogene, gesunde Ernährung mit ballaststoffreichen Lebensmitteln (wie Obst, Gemüse, Vollkornprodukte)
- schwere, fettige Mahlzeiten meiden
- langsam kauen und sich Zeit zum Essen nehmen
- ausreichend trinken (mindestens 1,5 Liter täglich)3
- regelmäßige Bewegung und körperliche Aktivitäten
- Stress reduzieren, beispielsweise mithilfe von Yoga, Meditation oder Atemübungen
Die genannten Punkte dienen ebenfalls dazu, das Risiko für zukünftige Motilitätsstörungen zu reduzieren.
Tipp: Ernährungsprotokoll führen!
Auch eine Lebensmittelunverträglichkeit kann zu Motilitätsstörungen führen. Um herauszufinden, ob Sie eventuell eine Unverträglichkeit haben, können Sie zum Beispiel ein Ernährungsprotokoll führen. Darin notieren Sie über mehrere Tage hinweg, was Sie wann gegessen haben und ob es im Anschluss zu Beschwerden kam. Sie können auch vermerken, wenn Sie Stress hatten oder andere besondere Lebensumstände vorlagen, die womöglich Einfluss auf Ihre Verdauung genommen haben.
Je nach vorliegender Symptomatik kann auch eine medikamentöse Therapie in Erwägung gezogen werden. In Absprache mit Ihrem Hausarzt oder dem Gastroenterologen (Facharzt für Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts) kommen unter anderem die folgenden Mittel zum Einsatz:
- Prokinetika (zur Förderung der Darmbewegung)
- Laxantien (Abführmittel bei Verstopfung)
- Antidiarrhoika (zur Behandlung von Durchfall)
- Spasmolytika (zur Linderung von Bauchkrämpfen)
Zusätzlich können pflanzliche Mittel, zum Beispiel mit der Bitteren Schleifblume oder Kamille, die Bewegungen in Magen und Darm regulieren und gleichzeitig empfindliche Nerven beruhigen. Eine weitere Möglichkeit sind Probiotika (Produkte, die spezielle Bakterienstämme enthalten) sowie Präbiotika (unverdauliche Nahrungsbestandteile), die das Wachstum der Darmbakterien fördern, um das Gleichgewicht der Darmflora zu verbessern.
In einigen Fällen, beispielsweise bei einer verzögerten Magenentleerung durch eine zu geringe Muskeltätigkeit, kann ein chirurgischer Eingriff notwendig sein. Bei diesem wird ein Magenschrittmacher zur Unterstützung der Magenentleerung eingesetzt. Allerdings ist dies als letzte Möglichkeit zu sehen, wenn andere Behandlungsmethoden versagt haben.
Magenlähmung als Folge von Motilitätsstörungen
Bleibt eine schwere Motilitätsstörung des Magens unbehandelt, kann sich eine Magenlähmung (Gastroparese) entwickeln. Diese zeichnet sich durch eine unzureichende beziehungsweise keinerlei Magenbewegung aus: Meist ist die Magenmuskulatur nicht ausreichend gespannt und kann daher ihrer Funktion nicht mehr nachkommen. Der Nahrungsbrei wird schlechter durchmischt und der Magen unvollständig oder gar nicht entleert.
Für Betroffene bedeutet dies: Schon nach kleineren Mahlzeiten fühlt sich ihr Magen voll an. Unter Umständen müssen sie sich sogar übergeben. Damit einhergehend kann es zu einem Gewichtsverlust sowie einer Mangelernährung aufgrund einer schlechten Nährstoffaufnahme kommen.
Daher sollten Sie bei anhaltenden oder schweren Beschwerden einen Arzt aufsuchen, um frühzeitig eine geeignete Therapie zu beginnen.
Häufig gestellte Fragen zu Motilitätsstörungen
Eine Motilitätsstörung ist eine Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit der Muskeln im Verdauungstrakt. Diese Störung führt dazu, dass der Transport und die Durchmischung der Nahrung nicht richtig funktionieren, was verschiedene Beschwerden im Verdauungstrakt (wie Völlegefühl oder Magenschmerzen) verursachen kann.
Die Magenmuskulatur spielt eine zentrale Rolle bei der Verdauung, indem sie durch rhythmische Kontraktionen den Speisebrei zerkleinert und mit Magensaft vermischt. Diese wellenartigen Bewegungen (Peristaltik) sorgen für eine geregelte Magenentleerung. Bei einer Motilitätsstörung ist diese Bewegungsfähigkeit der Magenmuskulatur jedoch beeinträchtigt, was zu einer verzögerten oder unvollständigen Magenentleerung führen kann.
Eine Motilitätsstörung kann sich durch eine Vielzahl von Symptomen äußern. Dazu gehören Völlegefühl, Übelkeit, Erbrechen, Magenschmerzen, Bauchkrämpfe, Blähungen, Verstopfung und Durchfall. Häufig tritt auch Sodbrennen auf, weil sich die Magenmuskulatur zu wenig bewegt und der Speisebrei im Magen zurückbleibt. Diese Symptome treten oft gleichzeitig auf und können die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen.
Die Behandlung von Motilitätsstörungen umfasst Ernährungs- und Verhaltensänderungen, wie eine ausgewogene, ballaststoffreiche Ernährung und Stressreduktion. Medikamentöse Therapien und pflanzliche Mittel können ebenfalls zur Linderung der Beschwerden beitragen. In schweren Fällen kann ein chirurgischer Eingriff, wie der Einsatz eines Magenschrittmachers, notwendig sein.